Veröffentlicht in Deutsche Sprache - schwere Sprache, Du ju spiek Inglish?, Möchtegern-Psychologin, Pädagogik, Schulalltag, Siebtklässler, Zweitklässler

Fast geschafft!

Kennt ihr das, wenn Schüler sich kurz vor den Weihnachtsferien von der Besinnlichkeit der Adventstage anstecken lassen und sich während der Unterrichtsstunden stiller als sonst verhalten? ……ich auch nicht.

Obwohl ich in den letzten Jahren schon als Langzeit-Praktikantin einen guten Einblick in das Chaos erhalten habe, das ab Anfang Dezember in den Klassenzimmern herrscht, so ist es doch nochmal ein ganz anderer Schnack, dieses Chaos im Alleingang unter Kontrolle zu halten. Die letzten Tage waren, gelinde gesagt, anstrengend und ich freue mich sehr, dass morgen nach den Stufenversammlungen und einer Klassenlehrerstunde für den Rest des Jahres 2015 Feierabend ist. Nach einem fantastischen Weihnachtskonzert gestern Abend (welchem der Schulleiter als Frontmann einer der Bands die Krone aufgesetzt hat) steht nun nur noch das Gewusel auf dem Programm, das sich da Jahresabschluss schimpft.

Meine Kleinen hatten heute das Glück, in drei gemütlichen Frühstücksstunden bereits die Ferienzeit ein bisschen einzuläuten. Leider kam ich erst zur letzten dieser Stunden dazu, da ich vorher Unterricht in meiner Siebten hatte (die tatsächlich die erste Hälfte der Zeit ruhig waren. Allerdings war daran die Lustlosigkeit schuld, nicht die Besinnlichkeit). Aber immerhin bekam ich noch selbstgemachte Waffeln ab, und wurde zudem aufs Allerherzlichste begrüßt. Dieser Moment, wenn ich durch die Klassenzimmertür trete und mir 28mal mein Name entgegenschallt, gepaart mit lächelnden Gesichtern und blitzenden Augen ist einer, von dem ich nie genug bekomme.

Bescheiden, wie ich nun einmal bin, würde ich behaupten, dass mich die Süßen ziemlich gut leiden können, und das beruht definitiv auf Gegenseitigkeit. Wenn es ein Leben nach dem Ref gibt (was ich momentan noch für ein Gerücht halte 😉 ), würde ich es gerne an dieser Schule verbringen, zumindest für eine gewisse Zeit. Aber bis dahin kann auch noch viel passieren. Ich freue mich wirklich über jeden Tag, den ich mit den Kleinen und Großen verbringen kann. Ehrlich. Zwar sagte meine eine Mitbewohnerin gerade heute zu mir: „Also irgendwie antwortest du nie, dass alles richtig gut gelaufen ist, wenn ich dich mittags sehe und frage, wie es in der Schule war. Du sagst immer nur, dass es mittelmäßig war.“, aber das hat ja nur bedingt mit den Kindern zu tun. (Ich gestehe: momentan etwas mehr als sonst. Weihnachtszeit eben. 😉 ) Dringend notwendige Kommunikationssituationen kommen nicht zustande, Eltern stellen unrealistische Ansprüche, das Wetter ist mies, die Gesundheit spielt nicht mit…die Liste ist lang. Am Ende des Tages geht es jedoch darum, sich auf die Kinder einzulassen und sie alle ins Herz zu schließen.

Natürlich gibt es Konflikte mit Einzelnen. Konstant aufmüpfige und aufmerksamkeitseinfordernde Schüler. Streitigkeiten. Lautstarke Auseinandersetzungen. (Einwurf zwischendurch: meine Mentorin informierte mich gerade heute darüber, dass ich manchmal im Unterricht nicht-vollständige Sätze von mir gebe. Jetzt weiß ich, was sie damit meint. 😉 ) Aber, wie mir eine Freundin vor Jahren schrieb, als ich eine sehr unschöne Situation mit einem Schüler hinter mir hatte und nicht wusste, wo mir der Kopf stand: Zu 100% können sie irgendwie nix dafür. Und so ist es auch. Diese Kinder sind nicht bösartig, sie haben alle schon ihr Päckchen zu schleppen. Und die Umstände pressen sie in die Hülle, die uns gegenübersitzt. Unser Job ist es, den guten Kern dahinter zu entdecken.

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So schön still wie heute…..

…ist es sonst nur, wenn kein Kind im Klassenraum ist.

Bei meinen Kleinen (zweite Klasse) habe ich heute eine neue Methode des Aufräumens ausprobiert. Bisher war das eher ein Gewusele von Beinen, Armen und Köpfen, von „Auaaaa“s, „Pass doch auf“s und „mein Buch lag da zuerst“s. Es mag vielleicht überraschend sein, aber mich nervt das bereits seit geraumer Zeit 😉 da auch insgesamt die Lautstärke während dieser Phase mitunter selten unter der eines startenden Flugzeugs liegt, startete nun heute mein Experiment „Leise die Sachen wegräumen“. Wetten wurden abgeschlossen, Chancen wurden berechnet, Daumen wurden gedrückt und Popcorn wurde bereitgestellt. Dann ging es los.

„Jedes Kind legt seinen Kopf auf den Tisch und schließt die Augen für einige Momente“ beginne ich. „Der Tisch, den ich aufrufe schleicht auf Zehenspitzen zum Regal und stellt seine Einstern-Hefte ordentlich in seinen Schuber“. Kurze Verwirrung. Das Wort ordentlich ist auch nach 1,5 Jahren Schule für fast alle noch immer ein Fremdwort, dessen Bedeutung nicht erschlossen werden kann. Auch über die Wortfamilie kommen wir nicht weiter, da Ordnung dieselben Schwierigkeiten birgt. Erfolgreich bestimmen wir die Silben und Silbenkerne des Wortes, machen einen kurzen Exkurs zu „Was Frau Amhranai unter ‚ordentlich‘ versteht“, und dann kann es auch schon mit den Anweisungen weitergehen.

„Ihr hört einmal ganz genau hin, ob ihr den Tisch, der gerade dran ist, bei seinen Bewegungen ertappen könnt. Versucht, so leise zu sein dass die anderen gar nicht hören, dass ihr unterwegs seid und etwas wegpackt.“ Die Kinder nicken mit glänzenden Augen. Leiser als die anderen Schüler sein? Der leiseste Tisch von allen jemals dagewesenen Tischen? Challenge accepted!

Ich schicke den Bananen-Tisch los, nachdem ich – wie ein Fuchs, der ich zweifellos bin – unauffällig bei den Kindern nachgefragt habe, welche Obstsorte ihrem Tisch im September zugeteilt wurde. Das ist schließlich schon ewig her… Meine damalige Mentorin schlug zu dieser Zeit vor, dass ich die Tische nicht mehr mit „der Tisch von Leon 1“, „der Tisch von Leon 2“ uswusf benenne, sondern mir eine motivierendere Ansprache überlege. Das tat ich, und hatte nach einem Tag meine Obstklasse. Wir haben den Apfel, die Birne, die Banane, die Kirsche und den Obstkorb. Diese Einteilung eignet sich im Übrigen hervorragend für die Bildung eines Sitzkreises! Einfach die gewünschte Obstsorte als stillen Impuls an die Tafel malen/kritzeln/skizzieren, und die Kinder fühlen sich angesprochen. Klappt! Vorausgesetzt, dass die Kids auch zur Tafel schauen und nicht gerade intensiv das hervorgepulte Innenleben ihrer Nase betrachten, ihren Nachbarn entlausen oder ein Sekundenschläfchen machen. Aber ich schweife ab.

Der Bananen-Tisch schleicht los, und man könnte tatsächlich eine Stecknadel fallen hören. Alle nicht-aktiven Kinder haben das Gesicht vor Anstrengung verzerrt, weil sie ihre Mitschüler unbedingt beim Lärmen ertappen wollen. Aber sie haben keine Chance. Die Bananen sind super und nach wenigen Momenten mit stolzgeschwellter Brust wieder an ihrem Platz. Ob die Äpfel das nachmachen können? Ich bin gespannt, wenngleich noch ein wenig skeptisch. Der erste Apfel stolpert kurz über seinen taktisch klug mitten im Weg platzierten Schulranzen, fängt sich aber und eilt auf leisen Socken seinen Mitäpfeln hinterher, die sich angestrengt das Kichern verkneifen. So langsam breitet sich auch auf meinem Gesicht ein breites Lächeln aus. 2 Minuten – so lange war diese Klasse noch nie still! Und außerdem werden die Hefte auch wirklich ordentlich weggepackt. Ich bin zutiefst entzückt, und das ändert sich auch bei den letzten 3 Gruppentischen nicht. Danach gibt es ein großes Lob von mir an meinen Obstsalat, und auch die Tische beglückwünschen sich gegenseitig. Hach, war das schön.

Eben in der Besprechungsstunde nimmt meine neue Mentorin (die ich erst seit einer Woche habe, aber mit der ich sehr glücklich bin) mir ein wenig den Wind aus den Segeln: „Ich will dir das ja eigentlich gar nicht sagen, aber solche Dinge funktionieren manchmal nur am Anfang und dann irgendwann nicht mehr.“ Lalala, ich kann dich nicht hören…….! Es ist zu laut hier! 😉

P.S.: Das sollte sich von selbst verstehen, aber Schülernamen sind selbstmurmelnd verfälscht. 🙂

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Ich liebe meine Schüler….

….ehrlich! Sie sind groß, klein, verrückt, aufgedreht, lustig, ernst, schüchtern, selbstsicher und vor allem eines: lebendig. In den vier Monaten, die ich jetzt im Referendariat bin, gab es kaum einen Tag, der mir kein Lächeln auf das Gesicht zauberte. Dass ich an mindestens genauso vielen Tagen die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen habe und mich gefragt habe, ob ich in einer Schule oder doch eher einem Affenzirkus bin, versteht sich von selbst. Aber genau das macht die Arbeit so abwechslungsreich und aufregend. Ich würde sie gegen keinen anderen Job der Welt tauschen wollen. (Also gut, über einen Job als Coffeeshop-Tester könnten wir reden.)

In meiner siebten Klasse haben wir heute Themen für die anstehende Englischarbeit wiederholt. Meine Süßen sind dafür bekannt, dass sie morgens in der ersten Stunde (ab 07.20, wohlgemerkt!!) nur begrenzt aufnahmefähig sind. Geht mir auch so, aber es nützt ja nichts. Mühsam wird Gehirnzelle für Gehirnzelle aktiviert und zum Arbeiten gebracht, es werden alte Vokabeln wieder hervorgekramt und vergessene Satzstrukturen aufgefrischt. Für die Klausur-Vorbereitung haben wir heute besprochen, wie eine Postkarte auszusehen hat. Na logo, man braucht einen Adressaten, das Datum, eine Briefmarke (das war das erste Merkmal, das genannt wurde), einen Text und ein Motiv auf der Vorderseite. Unten wird noch unterschrieben – Ende aus, Mickymaus. Kann doch jedes Kind! Zumindest waren sie entsprechend entrüstet, dass ich ihren Hirnen diese Wissenslücke zutraute. Dann sollten sie eine Postkarte aus einem fiktiven Urlaub an mich schreiben, als Übung.

Nach zwei Minuten die erste Frage. „Wessen Adresse muss denn auf die Postkarte? Die des Absenders oder des Empfängers?“ Ich schaue die Schülerin schief an und antworte „überleg mal. Was passiert denn, wenn du die Absenderadresse auf die Karte schreibst?“ Fragezeichen auf der Stirn. „Dann…ach so, dann kommt ja die Post vielleicht nicht an.“ Richtig, zehn Punkte für Ravenclaw!

Wer vermutet, dass diese Frage ein Einzelfall war, hat sich getäuscht. Nicht weniger als zehnmal wurde ich um Hilfe gebeten, und jedes Mal war es genau diese Problematik. Nicht alle konnten mir folgen, als ich erklärte warum man idealerweise die Empfängeradresse angeben sollte. Vielleicht kaufe ich mal 20 Postkarten und 20 Briefmarken, lasse meine Schüler alle eine schreiben und an einen Verwandten schicken. Und dann schreiben sie bitte die Adresse darauf, von der sie denken, dass sie dorthin gehört. Mal schauen, wie viele ankommen. 😀 Ja, irgendwann mache ich das.

Ein weiterer Tag, der zwischen mir und den Weihnachtsferien steht, ist vorbei. Ich hoffe, auch alle lieben Kollegen sind gut durch den Tag gekommen. Oder, um es mit den Worten einer meinen eingesammelten Postkarten zu sagen:

I hope dear go good.“